Wurzelfunde

Orsoy

An dieser Stelle möchte ich kleine Fundstücke sammeln, die Einblicke zu meinen Wurzeln, tief, tief unten, bieten.

Alle Zitate und Bilder aus Büchern unterliegen dem Copyright des jeweiligen Rechteinhabers.

Als ersten Fund ein Bild aus dem Buch „Rheinberg„, aus „Die Reihe Archivbilder“ von Gabriele Biendara (ISBN 3-89702-543-4):

1908 löste ein starkes Drahtseil, das der Orsoyer Schmiedemeister Oelinger gefertigt hatte, die mit Pferden betriebene Fähre ab. Auf dieser Aufnahme ist es deutlich sichtbar. Später übernahm die Zeche Walsum den Fährbetrieb. 1958 wurde die moderne Autoschnellfähre eingesetzt.

Aus „Orsoy – Geschichte einer kleinen Stadt“ von Dieter Kastner und Gerhard Köhnen(ISBN 3-87096-160-0) :

Die Treidelfähre Orsoy – Walsum um 1890. (Also die Fähre, welche durch die meines Urgroßvaters abgelöst wurde.)

1785 wurde die Familie Liesefeld aus Orsoy Pächter der Fähre. Johann Heinrich Liesefeld (geboren 1790), der zweite aus diesem Geschlecht, war ein so guter Fährpächter, daß er vom Renteiamt Dinslaken 1830 als äußerst solide bezeichnet wurde, über den noch nie eine Beschwerde eingegangen sei, „was bei Fährpächtern doch zu den größten Seltenheiten gehört“. Er ließ sogar den Weg auf dem rechten Ufer zu der etwa ein halbe Stunde entfernten Landstraße und die Brücke über den Bursbach auf eigene Kosten instandsetzen. Im Jahre 1831 setzte er ebenfalls auf eigene Kosten eine Gierponte für den Fährbetrieb ein, die über die Jahrhundertwende hinaus bestand. 1908 ließ der Urenkel Heinrich Liesefeld (geboren 1868) eine neue eisene Fähre bei dem Orsoyer Schmiedemeister Oelinger bauen, und zwar eine Querseilfähre. Der letzte Fährmann aus der Familie Liesefeld war bis Ende des Ersten Weltkrieges (1918) tätig.
Mit dem wachsenden Schiffsverkehr auf dem Rhein brachte der Betrieb am Seil viele Schwierigkeiten und Störungen mit sich, vor denen nach dem Zweiten Weltkrieg die alte Fähre kapitulieren mußte. In Zusammenarbeit zwischen der Wasserstraßendirektion, der Wasserschutzpolizei und der Vereinigung der Fährbesitzer kam es zur Umstellung auf eine Wagen-Motorschnellfähre.

Hier noch ein Ausschnitt aus „Die unendlich lange Egerstraße (Erinnerungen an die kleine Stadt Orsoy)“ von Heinz van de Linde (ISBN 3-8334-3838-X). Er erzählt von meinen Altvorderen:

In der Mühlenstraße wohnen Erwin, Walter und Heinrich-Wilhelm. Alle drei gehen in die gleiche Klasse wie ich und Herr Simon ist unser Lehrer. Wenn ich Freunde in der Mühlenstrasse besuche, komme ich immer bei Schmied Oelinger vorbei. Der ist ziemlich ruhig und spricht nicht viel. Den sieht man nur bei der Arbeit. Der kommt auch nicht abends bei Imgrunds vorbei, wenn die alle draußen sitzen und Nabend sagen. Schmied Oelinger ist immer in seiner Schmiede und macht alles alleine. Der ist gerne alleine, glaube ich. Wenn mein Vater in der Wirtschaft Leute getroffen hat, ist Schmied Oelinger nie dabei gewesen. Ich gehe einfach in seine Schmiede und gucke zu. Manchmal sind auch die drei aus der Mühlenstraße dabei. Mit einem Blasebalg bringt Schmied Oelinger das Feuer richtig in Schwung und im Nu ist ein Stück Eisen rot und später weiß glühend. Dann schlägt er mit seinem Hammer drauf und kann das Stück Eisen formen, wie er will. Wenn er ein Stück Eisen fertig hat und im Wasser abkühlt, zischt das so schön. Von allen Werkstätten ist eine Schmiede am spannendsten. Wenn ein Pferd Hufeisen kriegt, wird es in ein Holzgestell geführt und kann dann nicht mehr weg. Schmied Oelinger macht die Hufeisen fertig mit Löchern drin. Dann nimmt er Nägel und macht sie im Feuer glühend. Die Nägel steckt er durch die Hufeisenlöcher in das Horn des Pferdehufs. Dann qualmt und stinkt es schlimm. Das ist noch schlimmer als der Stinkkäse in der Schule, den manche auf ihren Butterbroten haben. Dem Pferd macht das nichts aus. Das ist ganz ruhig dabei. Schmied Oelinger sagt, die Nägel stecken nur im Horn und da hat das Pferd kein Gefühl und merkt nichts. Schmied Oelinger kann auch so schöne Gartentore machen mit Verzierungen, alles aus Eisen. Die stehen in seinem Hof, wenn er sie fertig hat. Dann merkt man, dass er ganz stolz darauf ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Schmied Oelinger in einem schwarzen Anzug aussieht, so bei einer Beerdigung. Das passt nicht zu ihm. Den kann man sich nur in seinem blauen Arbeitsanzug vorstellen und mit schwarzen Flecken an den Händen und im Gesicht.

Papa sagt, wir sind international hier bei uns in der Stadt. Guck dir die de la Hayes an. Das sind Franzosen. Die de la Hayes haben eine Schnapsfabrik und der Chef heißt Peter de la Haye. Er trägt eine Brille ohne Rand, man sieht nur die Gläser. Ich glaube, daran kann man die Franzosen erkennen. Vom Schnaps allein können die de la Hayes nicht leben. Deshalb hat Frau de la Haye eine Leihbücherei und verkauft gleichzeitig den Schnaps von ihrem Mann. Der Vater von meinem Freund Heinrich-Wilhelm, der in der Schule vor mir sitzt, sagt, die de la Hayes haben angefangen mit einem Trompeter, der in dem Haus gewohnt hat, wo Heini Seemann jetzt seine Trinkhalle hat. Das ist schon lange her. Der erste de la Haye, der Trompeter, ist mit Napoleon hierhin gekommen, sagt Heinrich-Wilhelms Vater. Der Trompeter musste morgens ziemlich früh aufstehen und die Soldaten mit seiner Trompete wecken. Das war, als es noch keine Wecker gab. Er konnte aber die Trompete nicht mehr blasen, als er älter war. Dann hat er geheiratet und mit dem Schnapsmachen angefangen.

Ein‘ hab‘ ich noch. Meine persönliche Empfehlung an alle, die mehr über Leos Kneipe lesen möchten. Wieder von Heinz van de Linde aus seinem Buch „Niederrhein im Kopp und Orsoy im Bauch“ (ISBN 978-3-8391-9486-7):

Orsoy


Fritz Oelinger, der Eisenmann,
der Schmied, rauchte Zigarren,
aber kegelte nicht,
sprach auch nicht viel,
schon gar nicht beim Pferdebeschlagen.
Ich glaube, die Pferde
waren ihm lieber als die Menschen.
Und wenn Theo Imgrund
abends vor seiner Drogerie saß
mit Frau und Kindern
und „n’Abend“ sagte,
dann kam eigentlich nie
Fritz Oelinger vorbei.

Orsoyer Morgen


Fritz Oelinger, der Frühaufsteher und Schmied, bläst sein Feuer an und wird heute zwei oder drei Pferde beschlagen von den Bauern in Orsoy, Gehnen, Kuhlmann und den beiden Susmanns, nicht zu reden von den Bauern aus Pelden und Drießen.